14:12 Uhr, ein Samstag. Hauptverkehrsader einer recht großen Stadt. Bremsen kreischen laut, es kracht gewaltig. Romuald Stuch, ein Frührentner, 63, fliegt gute 4 m weit, und bleibt neben der Straße liegen, schwer verletzt, röchelnd. Sein Einkauf, eine prall gefüllte Mehrwegtasche mit dem Pseudo-Emblem eines großen Discounters, darunter steht „LIDL lohnt nich´“, etwas aufgeplatzt. Der Inhalt liegt verstreut herum, aber nichts davon direkt auf der Straße. Daher läuft der Verkehr weiter, nur der Unfallfahrer hatte angehalten und kurz nachgesehen, was mit dem Fußgänger passiert sein mag, den er angefahren hat.
Stuch röchelt: „Ich schaff´s nicht… Fahren Sie ruhig, junger Mann. Fahren Sie… Mir kann jetzt niemand mehr helfen. Das überleb ich nicht… Aaah…“
Der jüngere Mann, Anfang 30: „Ich ruf einen Rettungswagen. Sie sind mir direkt reingelaufen (er sieht dabei vorwurfsvoll auf den zuckenden und röchelnden, stark blutenden Stuch), was ist da nur in Sie gefahren, Mann? Direkt reingelaufen! Wie kann man nur so gedankenlos die Straße überqueren? Wie, frag´ ich?“
Stuch: „Sie haben ja recht… Ich hab überhaupt nicht auf den Verkehr geachtet, wollte nur noch rüber… Geschieht mir ganz recht… Lassen Sie mich einfach liegen. In Kürze ist es ja geschafft. Ich pack´s nicht mehr lang…“ Röchelt, keucht, spuckt Blut, liegt auf dem Gesicht.
Der Unfallfahrer ruft die Rettung, dabei begutachtet er den Schaden an seinem Gefährt, von allen Seiten. Er schüttelt verärgert den Kopf, spricht: „Ja, Moldenhauer hier. Tach. Muss da einen Unfall melden, Veckelshorster Ecke Bedenkircher… Ja, mit Blechschaden… Was? Ja, nein, da liegt einer. Ja. Der blutet. Wie? Stabile Seitenlage? Aha. Na ja. Hm… So so. Werde sehen, was ich tun kann. Ja, danke. Gut, ich warte hier. Wiederhör´n.“ Die Verärgerung, das ist dem Mann anzusehen, wächst. Er sieht auf die Uhr. Wieder schüttelt er unwillig den Kopf.
Moldenhauer geht langsam zu Romuald Stuch hinüber. Dabei achtet er nicht auf den Verkehr. Bremsen kreischen laut, es kracht gewaltig, Danny Moldenhauer fliegt gute 4 m weit, bleibt halb auf dem Bürgersteig, halb auf der Straße, röchelnd liegen. Entsetzt steigt der Unfallfahrer aus, erschüttert, erstarrt, entgeistert beglotzt er die Szenerie. Er steht mitten auf der Straße, der Verkehr kommt zum Erlahmen, jedenfalls auf einer Fahrspur. Hupen. Nach kurzem Statement zweier PKW-Lenker dann ein wahres Hupkonzert. Der Unfallfahrer kommt zu sich, geht zu Moldenhauer, schüttelt ihn sehr heftig. „Alles in Ordnung?“
Moldenhauer: „Nichts ist in Ordnung. Ich habe mir die Hüfte gebrochen. Und ich spür meine Beine nicht mehr. Der Rettungswagen kommt gleich…“
Der Unfallfahrer: „Aber ich hab doch noch gar keine Ambulanz gerufen!“
Moldenhauer: „Ich aber! Gerade eben!“
Der Mann: „Wie jetzt? Sie wussten, dass Sie angefahren werden würden? Sind Sie denn ein Medium? Das ist ja´n Ding! Dolle Sache das… Und ich mittenmang!“
Moldenhauer: „Quatsch mit Soße!“ Zeigt zum zuckenden Stuch. „Wegen dem da.“ Der Mann begibt sich zu Romuald Stuch. „Guten Tag. Sie hatten wohl einen Unfall? Was ist denn passiert?“
Stuch: „Der dort (zeigt mühsam auf Moldenhauer) hat mich angefahren. War aber selbst dran schuld. Bin gedankenlos über die Straße gelaufen. Schaff´s aber nich´. Gehen Sie ruhig. Mein Leben zieht gerade vor dem inneren Auge vorbei, wie ein Film. Und, glauben Sie mir, junger Mann, dies ist ein wahrlich miserabler Streifen, der da gezeigt wird. Ich würde ihn mir nicht noch einmal ansehen, sicher nicht. Meine Uhr ist abgelaufen. Gehen Sie ruhig, guter Mann, gehen Sie… Gehen Sie Ihres Weges. Lassen Sie mich einfach… „ (blubbert Unverständliches)
Der Mann: „Wie heißen Sie denn?“
Stuch, jetzt sehr schwer zu verstehen: „Romuald Stuch.“
Der Mann: „DONALD TUSK? Den Namen, glaube ich jedenfalls, habe ich schon mal gehört. Sind Sie im Showgeschäft? Oder ein berühmter Autor? Haben Sie nicht das Schwarzbuch der Steuertricks der deutschen High Society 2017 rausgegeben? Oder war das Donald Trump? Ich kann mir Namen so schlecht merken. Nee, warten Sie… Nee, Trump ist ja der momentane, in Dings, der jetzige… mir liegt´s auf der Zunge…“
Stuch, blubbernd: „US-Präsident!“
Mann: „Sie sagen es! Exaktemente! Sakrament, Exkrement! Sack Zement! Sie haben´s drauf. You connected that. You pick up the pieces. You´re the shiiiit!!”
Stuch: “Sind Sie Brite? Amerikaner? Australier? Neuseeländer? Vielleicht aus Panama? Oder aus Puerto Rico?“ Hustet viel Blut aus. Die Blutlache rings um ihn vergrößert sich zusehends.
Der Mann: „Nein nein, ich darf mich vorstellen, Herr Tusk. Mein Name ist Klaus Grebert. Ich wohne hier, gleich die nächste Seitenstraße. Holunder Weg 39a. Wenn Sie mögen, dann sind Sie herzlich eingeladen. Kommen Sie mich doch besuchen, bitte. Klaus Grebert, Holunder Weg 39a. Es ist die oberste Klingel. Dann können wir ein wenig quatschen. Ich bekomme ja nie viel Besuch, leider… Hab auch einen guten Port da.“
Stuch: „Leider… Ich werd´s nich´ schaffen. Kann Sie nicht besuchen… Aber sagen Sie, sind SIE nicht der bekannte TV-Anchorman Claus Kleber?“
Grebert: „Nein, der bin ich nicht. Sie meinen den Claus-Detlev Walter Kleber, geboren am 2. September 1955 in Reutlingen. Bekannt als Claus Kleber, Journalist und TV-Moderator. Ich aber heiße GREBERT, Vorname Klaus, mit K. Klebers Vorname wird mit C geschrieben. Es kommt sehr oft zu einer Verwechslung. Sie glauben ja gar nicht, Herr Tusk, wie oft ich schon mit Claus Kleber verwechselt wurde. Im Übrigen auch vom Äußeren her. Sehen Sie nur mal.“ Dreht sich ins Profil. Doch Stuch, auf dem Gesicht liegend, Blutbläschen dringen aus der Nase, zerplatzen in regelmäßiger Abfolge, zeigt wenig Interesse, sich so zu drehen, dass er Greberts Profil betrachten kann. Grebert zeigt sich enttäuscht, wendet sich ab.
Moldenhauer winselt, etwa 8 m entfernt. „Wann kommt dieser 3 x verschissene Sanitäter? Sie da, ja Sie. (Sieht Grebert an) Könnten Sie nicht noch mal anrufen? So lange brauchen die ja in der Regel nicht. Eigentlich müssten die schon längst hier sein. Rufen Sie noch mal an, ja?“
Grebert, leicht vorwurfsvoll: „Aber sagten Sie mir nicht eben, dass SIE bereits den Rettungs-wagen herbeordert haben? Warum soll ich denn noch einen zweiten herbestellen? Das ergibt doch keinen Sinn! Das gibt nur Kuddelmuddel in der Leitstelle! Warum also sollte ich…?“
Moldenhauer (deutlich verstimmt): „Weil der 1. ja offensichtlich nicht kommt. Deshalb!“
Grebert: „ABER DESWEGEN muss man doch nicht gleich patzig werden…“
Stuch, immer noch auf dem Gesicht liegend: „Aber meine Herren. Ich bitte Sie! Ich darf doch wohl bitten, ja? Diese Situation erfordert jetzt Contenance. Und vor allem Überblick. Wir sind doch erwachsene Menschen…“
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